Zur Bestimmung der Waldsaatgans (Anser fabalis fabalis)

18.01.2010 - 16:39

Hallo! Ich bin relativ neu hier im Club 300 von Österreich, habe aber eine dringende Bestimmungsfrage wegen der Bestimmung einer Waldsaatgans (Anser fabalis fabalis) im Rheindelta, Österreich. Im Schweizer Club 300 und auch etlich andere gute Ornithologen sind nicht sehr geübt in dem Bestimmen der Saatgans-Unterarten (Welches vielleicht daran liegt, dass die Schweiz jeden Winter nur um die 30-100 Saatgänse überwintern). Jedoch habe ich im Rheindelta 1-2 Saatgänse angetroffen und auch fotografieren können, welche meiner Meinung nach nicht Tundrasaatgänse (Anser fabalis rossicus) sind. Vor allem bei einem Vogel sehe ich grosse Unterschiede gegeüber den anderen anwesenden Gänsen (Auf den Fotos die Linke der zwei Gänsen, welche viel Orange im Schnabel aufweisen und in der Bildmitte stehen): Über den ganzen Schnabel durchgehende Orangefärbung, langer Hals, flacher Schnabel, dünnemr Unterschnabel und fast nicht zum Hals kontrastierende Kopffärbung. Um welche Art/Unterart handelt es sich dort? Falls es eine Waldsaaatgans wäre, handelt es sich um den ersten dokumentierten Nachweis im Bodenseegebiet. Ich freue mich auf eure Antworten Viele Grüsse Nikolai

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Hallo Nikolai,

Bilder des "verdächtigen" Vogels habe ich schon vor ein paar Tagen zugeschickt bekommen. Die Schnabelfärbung würde zwar sehr gut für fabalis sprechen - leider ist sie aber durchaus bei rossicus so auch möglich und gar nicht so selten, wie z.B. schon ältere holländische Auswertungen zeigen. Es ist daher v.a. der Schwerpunkt auf strukturelle Merkmale zu legen (v.a. Größe, Langhalsigkeit, Schnabelform etc.) - und da unterscheidet sich der Vogel kaum von den anderen rossicus bzw. von rossicus allgemein. Ich denke daher, dass es alles Tundrasaatgänse sind. Übrigens: Der Gesamtbestand der Waldsaatgans wird nach neuersten Ergebnissen lediglich auf 50 – 70.000 Individuen geschätzt, was sie zu einer gefährdeten Unterart macht. Ihr Überwinterungsareal ist relativ klein und liegt in Südschweden, NW-Polen und NO-Deutschland (v.a. Mecklenburg-Vorpommern).

viele Grüße
Hannes

Hallo!

Danke vielmals für die Antwort. Wie du gesagt hast:
"Es ist daher v.a. der Schwerpunkt auf strukturelle Merkmale zu legen (v.a. Größe, Langhalsigkeit, Schnabelform etc.) - und da unterscheidet sich der Vogel kaum von den anderen rossicus bzw. von rossicus allgemein." Sind diese strukturellen Merkmale sehr wichtig. Jedoch finde ich, dass man diese von den übrigens 2 verdächtigen Gänsen (die Rechte davon ist wahrscheinlich die dir schon bekannte), sehr viele strukturelle Unterschiede wie Langhalsigkeit oder Schnabelform feststellen kann.

Was findest du zu diesen Merkmalen?

Viele Grüssse

Nikolai

Hallo,

einige Details zu den "verdächtigen" Vögeln, wie sie sich mir auf den Bildern (die natürlich eher von bescheidener Qualität sind) darstellen:
1) der "Hauptverdächtige" ist ein Jungvogel (Oberseitenzeichnung), der "Mittelverdächtige" z.B. ein Altvogel - allein das gibt natürlich schon einmal Unterschiede (Junge haben oft helleres Gesicht und mehr orange im Schnabel - eig. Beob bzw. Fotoanalysen)
2) die (scheinbare) Langhalsigkeit kommt wohl von der Körperhaltung - nehmen wir z.B. das zweite Bild, wo rechts ein ebenso schlankhalsiger und scheinbar langschnäbeliger Vogel zu sehen ist, der von dir wohl mangels Orange im Schnabel nicht als "verdächtig" eingestuft wird; Waldsaatgänse sind praktisch so groß wie Graugänse,nur deutlich schlanker
3) entscheidend ist die Schnabelform, konkret der Verlauf Stirn-Oberschnabel, bzw. der Schwung des Oberschnabels (konkav); die Gänse im Bild 2 sind alle mehr oder weniger ausgezogen keilförmig (Stirn-Schnabel), eindeutige Waldsaatgänse haben aber eine kleine Stufe und dann einen langen nach unten leicht eingedellten (also leicht konkaven) Oberschnabel; der Schnabel der beiden "Verdächtigen" unterscheidet sich aber nicht wirklich von z.B. dem schon angesprochenen rechten Vogel in Bild 2.
4) die group identity ist rossicus bzw. mischformmäßig, vielleicht Vögel aus dem östlicheren Verbreitungsgebiet der Tundrasaatgans, die wieder teils langschnäbeliger und dadurch etwas fabalismäßiger wirken.

vielleicht noch als kleine Ergänzung:
Viele Ornithologen in Nordostdeutschland wo Waldsaatgänse regelmäßig überwintern sind der Meinung dass sich Einzelvögel nur bei absolut typischen Vögeln bestimmen lassen. Die Variaton ist einfach zu groß...
Absolut sicher kann man sich dann sein, wenn man mehrere Vögel beieinander hat deren Kennzeichen auf fabalis passen.

Auch ich würde den Vogel als rossicus hinnehmen.

Grüße, Ralph

Hallo nikolai!

Nun, ich habe mir die 2 fotos ebenfalls angesehen und kann mich nur dem oben gesagten bereits anschließen. der sog. "Saatganskomplex" ist für mich wohl einer der formenreichsten aller grauen gänse. alleine rossicus hat tiere mit der größe von etwa brachyrynchus bzw. vögel von über 3,5 kg zu bieten. zudem sind schnabelform und -farbe, sowie gefiederteint und bein- halslängen sehr unterschiedlich. So hab ich in gefangenschaft bereits die sog. suschkingans mit fleischfarbener bein- bzw. bindenfärbung gesehen. außerdem finden sich manchmal gänse mit weißer stirnfront, die die von manchen bläßgänsen schwach aussehen läßt! und dass ohne dass es sich um hybriden handelt!

waldsaatgänse kommen meist nie in solchen großen schoofen vor wie tundrasaatgänse. auch mischen sich die schwärme kaum. ja, man geht sich in gewisser weise "" etwas aus dem Weg.

Fabalis fabalis ist von der größe her etwa graugansgroß! manche tiere sind dabei sogar etwas länglicher und das orange bei den schnabelbinden überwiegt. ...zumindest für die skandinavier . bei den russen sieht die sache da auch etwas anders aus. aber Heinecke kennt sich da wohl auch etwas besser aus. er ist deutscher ornifachmann hierfür.

ich habe bei uns in ostösterreich schon die eine oder andere saatgans gesehen die mehr oder weniger graugansgröße hat, aber meist sind dies wohl auch keine reinen fabalis sondern eher große rossicusganter der intermediärformen.
nun mehr oder weniger sind die dna-sprünge unter den rassen nicht wirklich groß, nicht einmal unter den gesamten grauen gänsen. ich würde alle eher als eine art "hunderassenabkömmlinge" definieren.

bg julian

Hallo zusammen und danke vielmals für die vielen Antworten. Im Club300 Forum der Schweiz bekommt man da keine aussagekräftige Antwort ...

Ich habe gerade im soeben erschienenem Frühjahrs-Rundschreiben des DDA zum Vogelmonitoring einen Bericht von Thomas Heinicke gelesen, in welchem von einer Winterflucht von Waldsaatgänsen im Januar/Feburar berichtet wird -> Die Saatgänse wurden Anfang Januar beobachtet. Dazu ist im Bericht ein Foto von Waldsaatgänsen hinzugefügt worden; Die Gänse auf diesem Bild entsprechen haargenau mind. den 2 von mir beobachteten Gänsen ...

Was meint ihr dazu?
Link für Frühjahrs-Rundschreibens des DDA zum Vogelmonitoring: http://www.dda-web.de/index.php
Bericht auf Seite 32

Hier die Antwort von Thomas Heinicke

vielen Dank für die Fotos, die aus meiner Sicht für die korrekte Bestimmung ausreichen.

Vergleicht man die strukturellen Merkmale der beiden Vögel mit den umstehenden rossicus, sind bis auf die Schnabelfärbung praktisch keine Unterschiede sichtbar:
- gleiche Körpergröße + -statur
- Halslänge und -dicke identisch
- Körperfärbung identisch
- Hals+Kopf-Färbung ebenfalls identisch
- Schnabel-Kopf-Profil identisch
- Schnabellänge im Rahmen der anderen rossicus

Die beiden Vögel liegen im normalen Variationsbereich von Tundrasaatgänsen und haben lediglich einen höheren Orange-Anteil in der Schnabelfärbung. Solche Vögel mit sehr viel orange sind zwar bei rossicus selten, kommen aber mit wenigen Prozent in der Population vor. Bislang gibt es auch keine Hinweise, dass solche Vögel Hybriden mit Waldsaatgänsen wären.

Beste Grüsse
Thomas Heinicke