Alles Orpheusspötter?

13.06.2011 - 23:21
Georg Juen // Mo., 13.06.2011 - 23:21

Die Beobachtung eines Orpheusspötter vom 5.6.2011 vom Rohrspitz/Rheindelta ist nach m.E. ein Sumpfrohrsänger.
Auch die Beobachtung vom 11.6.2011 ist der selbe Vogel.
Die beiden Videos sind auf http://shorebirder.wordpress.com/ anzusehen.
Das Foto vom 29.5.2004 hingegen zeigt ein klassischer Orpheusspötter: 70% Handschwingenprojektion, kurze Unterschwanzdecken, herzförmiger Schwanz, weiße Schwanzaußenkanten, gelbe Unterseite, bräunlich-gräuliche Beine, grünliche Oberseite.

Lieber Georg, liebe Kollegen
Der Orpheusspötter ist am Bodensee ein mittlerweile fast alljährlich erscheinender Sommergast, dennoch selten und noch von wenigen Beobachtern, selbst im Rheindelta, mangels Erfahrungen gesehen/gehört worden. Ich selbst bin der Art im Rheindelta im 2003/2004 zum ersten mal begegnet, danach erst wieder im Juni 2009, als mir für den Kanton Schaffhausen/Schweiz der Erstnachweis dieser Art gelang (von SAK angenommen).

Nach dem Einwand von Georg habe ich bei mehreren erfahrenen Bodenseebeobachtern eine Diskussion angeregt und um Rückmeldungen zu den auf http://shorebirder.wordpress.com/ zu sehenden Foto, Audio und Video gebeten. Ich werde an dieser Stelle darüber berichten.

Zu dem fraglichen Vogel im Rheindelta möchte ich noch erwähnen, dass der Vogel ständig am äusseren Rand von Büschen, oft auch an der Spitze, in einer Schicht von 2-4m sang, oder ebenso exponiert auf den unteren und mittleren Zweigen von Birken und Weidenbäumen! Ich kann mich aus meiner über 40-jährigen Beobachtungszeit nicht erinnern, jemals einen Sumpfrohrsänger in diesen "Höhenlagen" angetroffen zu haben. Zudem war der Vogel sehr lebendig und sein Gesang kraftvoll und laut, m. E. untypisch für einen Sumpfrohrsänger. Ferner finde ich einen "herzförmigen Schwanz" beim O. kein absolutes Indiz, wie auch die "weissen Schwanzkanten" offenbar jeder Spötter hat.

Offenbar ergibt sich hier ein interessantes ornithologisches Lehrstück - vielleicht nicht nur für mich ;-)

Viele Grüsse
Stephan Trösch

Hoi Stefan,
entschuldige für das sofortige Streichen deiner Meldung.
Danke für deine Stellungnahme.
Gleich eines Vorweg, der herzförmige Schwanz ist kein Indiz, da geb ich dir recht, sondern ein Merkmal u.a. zur Unterscheidung von Arc und Hip., vorausgestzt man sieht das alles und auf dem super Video kann man erkennen: lange Unterschwanzdecken, leicht gerundeter Schwanz ohne Kerbe, uni Schwanzaußenkanten(bis hier kann alle Hip spec. eliminieren), ca. 100% HandSchwingenProjektion(Hip pol 70%). Hip ict hätte auch 100% HSP, aber natürlich eine andere Färbung, Gesang usw.
Im Herbst(1.Wi.) sind Hip pol und ict deutlich fahler und dann kommen wieder die oben genannten Merkmale ins Spiel.
Wenn Kleinvögel auf dem Zug sind, dann können sie überall sitzen und singen, aber dein Acr pal ist in dieser "Höhenlage" schon absolut einmalig, da könnte man glad den ARC DUM noch heranziehen....
Schöne Grüeß Georg in d'Schwiz

Liebe Kolleginnen und Kollegen
In der Diskussion um die vorliegende Artbestimmung haben sich mehrere erfahrene Ornithologen gehaltvoll geäussert. Ich danke Gerog Juen für sein "Anstossen" und allen anderen, die mit ihren mündlichen und schriftlichen Beiträgen nun den "Orpheus in die Unterwelt und den Sumpfrohr ans Licht beförderten" ;-). Die Mehrheit sprach sich klar für den Sumpfrohrsänger aus, teilweise ohne konkrete Kriterien zu nennen, andere (sehr erfahrene) redeten von einem "Blödsinn", dass ein Sumpfrohrsänger mitten in einem Baum singen könne, weitere sahen anfänglich auch einen Orpheusspötter, machten dann aber mit den ersten vorliegenden Vorbehalten (und neuem Bild) sofort eine Kehrtwende.
Für mich war das eine wichtige feldornithologische Erfahrung, wie bei sorgfältiger Betrachtung und unter Einbezug wichtiger, artbezogenen Details die Unterschiede der beiden Arten zum Ausdruck gebracht werden können.
Nachstehend die gute und nachvollziehbare Unterscheidungshilfe von Paul Mosimann-Kampe (Ins/Schweiz, ehemals Mitglied der SAK), die an dieser Stelle verdankt wird, zum vorliegenden Fall:

"Es handelt sich um einen Sumpfrohrsänger und zwar aus folgenden Gründen:
Struktur: die HS-Projektion ist zu lang und insbesondere die Flügelformel ist diejenige eines langflügligen Rohrsängers und keinesfalls die eines OS. Es ragen min 6, wohl eher 7 HS-Spitzen über die Schirmfedern hinaus (bei OS 5). Das Schwanzende ist stark abgerundet (bei OS gerade). Die Unterschwanzdecken sind lang, über die Hälfte des sichtbaren Unterschwanzes. Färbung: verschiedene Details, die auf SRS und nicht auf OS passen, z.B. Andeutung eines dunklen Zügelstreifs, helle HS-Spitzen und deutlich hell gesäumte Schirmfedern, komplette Absenz von Gelb in Gesicht und Unterseite, Beinfarbe. Gesang: repetitiv mit erkennbaren Imitationen und wechselnder Geschwindigkeit, es fehlt das hetzende, quirlige Geschwätz und die nach meiner Erfahrung immer irgendwie eingeflochtenen zeternden Spatzentöne des OS." -- Zudem erwähnt Mosimann in seiner mündlichen Ergänzung, dass SRS auf dem Zug ohne weiteres mitten in Bäumen oder sogar in der Krone singen können. Dies würde sich bei Brutbeginn ändern.

Vielleicht hat dieser "Fall" und seine Beiträge auch bei anderen Beobachtern die (Er-)Kenntnisse etwas erweitert.
Herzliche Grüsse in die Runde.
Stephan Trösch

Danke Stefan für deine Bemühungen, auch danke an Paul.
Speziell im Rhd kann man interessante Kleinvogelbeobachtungen machen, was schon in den Artenlisten des Bodensees ersichtlich ist.
Die Kleinvögel sind eine extrem spannende Materie, die unendlich viel Zeit und vorallem Geduld erfordert.
Doch hin und wieder gibt es doch noch Erfolgserlebnisse, aber die sind dünner gesät als bei z.B. Larolimikolen.
Schöne Grüeß Georg